Welche Chancen ergeben sich und welche Risiken gilt es zu vermeiden?
Begriff der Compliance
Der Begriff „Compliance“ steht allgemein für die Einhaltung interner und externer Vorschriften und Regeln in einem Unternehmen (oder einer sonstigen Organisation). Unter einer „Compliance-Organisation“ (Compliance-Management-System) versteht man heute im funktionalen Sinn eine präventiv angelegte und das Haftungsrisiko verringernde Unternehmensorganisation, die – möglichst – das gesamte Unternehmen erfasst. Die „Compliance-Pflicht“ ist die Pflicht des Geschäftsleiters, selbst normkonform zu handeln sowie auf normkonformes Verhalten anderer im Unternehmen zu achten.
Von der Frage der grundsätzlichen Geltung der Compliance-Pflicht zu trennen ist gerade bei kleineren und mittelständischen Unternehmen die Frage nach Umfang und Intensität der Compliance-Pflicht und davon abgeleitet ggf. die Pflicht zur Errichtung einer besonderen Compliance-Organisation (Compliance-Management-System) und ihrer konkreten Ausgestaltung. Je größer das Unternehmen und je komplexer seine innere Struktur und die geschäftlichen Beziehungen zu Dritten, desto eher wird ein formalisiertes Compliance-Management-System sinnvoll oder sogar erforderlich sein.
Tax-Compliance-Management-System
Ein Tax-Compliance-Management-System ist ein auf das Thema Steuern und Abgaben fokussierter Teil eines Compliance-Management-Systems. Der Umstand, dass sich wirtschaftlich und steuerlich bedeutsame Sachverhalte in der Regel in Zahlen ausdrücken lassen, hat dazu geführt, dass sich bestehende Tax-Compliance-Systeme stark an die bereits weitgehend digitalisierten Buchhaltungssysteme angliedern lassen. Die aktuell gängigen Tax-Compliance-Systeme sind funktional oft so angelegt, dass sie dem Anwender Abweichungen in der Buchführung vom üblichen Vorgehen anzeigen. So wird der Anwender auf den konkreten Fall einer Abweichung aufmerksam gemacht und kann diesen prüfen und etwaige Fehler abstellen. Sinnvollerweise werden Tax-Compliance-Systeme dabei so konzipiert, dass sie von einem Wirtschaftsprüfer nach dem maßgeblichen IDW-Prüfungsstandard 980 geprüft und in ihrer Wirksamkeit bestätigt werden können.
Chancen eines Tax-Compliance-Management-Systems
Zunächst einmal dient ein Tax-Compliance-Management-System allgemein dazu sicherzustellen, dass Rechts- und Regelverstöße im Unternehmen – hier im Bereich der Steuern und Abgaben – vermieden werden („prevent“). Dies wirkt möglichen Haftungsgefahren und Strafbarkeitsrisiken entgegen, die sich ansonsten in Anbetracht der Komplexität der steuerlichen Vorgaben zwangsläufig aus der Unternehmenstätigkeit ergeben würden. Ferner soll durch ein Tax-Compliance-Management-System auch die Entdeckung von Fehlern ermöglicht werden („detect“), so dass die Geschäftsleitung angemessen darauf reagieren kann („respond“).
Werden nun intern Fehler in den vom Unternehmen abgegebenen Steuererklärungen erkannt, ermöglicht deren Aufdeckung i.d.R. die Korrektur der Steuererklärung i.S.v. § 153 AO oder erforderlichenfalls die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäߧ 371 AO. Selbst wenn eine strafbefreiende Selbstanzeige im konkreten Fall nicht mehr möglich sein sollte, wird die Einrichtung eines Tax-Compliance-Systems in der Regel zumindest bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden.
Nach dem neuen § 38 EGAO ist das Tax-Compliance-Management-System zudem Voraussetzung für eine nach Art und Umfang reduzierte Betriebsprüfung. Soweit im Rahmen einer Außenprüfung die Wirksamkeit eines „Steuerkontrollsystems“ überprüft wurde und kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko für die in relevanten Steuern und gesonderten Feststellungen gesehen wird, kann die Finanzbehörde nach § 38 Abs. 1 EGAO Beschränkungen nach Art und Umfang der Ermittlungen unter der Voraussetzung verbindlich zusagen, dass keine Änderungen in den maßgeblichen Verhältnissen eintreten.
Darüber hinaus ermöglicht es der Prozess der Errichtung und der Fortschreibung eines Tax-Compliance-Management-Systems (unter förmlicher Dokumentation der unternehmensinternen Prozesse) regelmäßig der Geschäftsleitung, die Abläufe im Unternehmen und ggf. in der Unternehmensgruppe in wirtschaftlicher, organisatorischer und steuerlicher Hinsicht besser zu verstehen. Dies führt oft dazu, dass wirtschaftliche und/oder steuerliche Gestaltungsspielräume überhaupt erst erkannt werden. Beispielsweise kann die Erkennung der Umsatzsteuerpflicht bestimmter Tätigkeiten des Unternehmens zugleich ein Vorsteuerabzugspotential eröffnen oder die allgemeine Quote des Unternehmens für den Vorsteuerabzug erhöhen. Risiken eines Tax-Compliance-Management-Systems Die fortwährende Änderung der Abläufe im Unternehmen und auch des Steuerrechts bedingen die fortlaufende Fortschreibung (und Verbesserung) des Tax-Compliance-Systems. Dabei kommt es vor, dass nachträgliche bislang übersehene Fehler in der Buchführung und/oder der Steuerdeklaration des Unternehmens aufgedeckt werden. Dies ist problematisch, weil die nachträgliche Anzeige von Deklarationsfehlern früheren Selbstanzeigen des Steuerpflichtigen die strafbefreiende Wirkung nehmen kann. Für den sich hieraus ergebenden Konflikt hat der Gesetzgeber bislang keine befriedigende Lösung bereitgestellt. Soweit die Korrektur nicht als bloße Berichtigung steuerlicher Angaben nach § 153 AO behandelt wird, bleibt hier nur die Hoffnung, dass die Ehrlichkeit der Steuerpflichten bei der Bestimmung der zu verhängenden Sanktionen angemessene Berücksichtigung findet
Gesamtbewertung
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist dennoch davon auszugehen, dass die Einführung eines Tax-Compliance-Management-Systems insgesamt mehr Chancen als Risiken bietet, da es Haftungsgefahren reduziert und die systematische Auseinandersetzung mit den unternehmensinternen Abläufen und Prozessen und auf dieser Grundlage deren Verbesserung ermöglicht.
Unsere Anwälte Marcus Heinrich Rohner und Dr. Frank Westphal sind ausgewiesene Experten auf diesem Gebiet und beraten in ihrer Funktion bei Breidenbach Unternehmen bei der Etablierung von Compliance-Management-Systemen.